Schlafstörungen, Migräne, Long-COVID oder Depression? Regelmäßig den Blutdruck prüfen!
Ende Juni wurde die neue Bluthochdruckleitlinie der „European Society of Hypertension“ (ESH) publiziert. Darin werden erstmals zehn neue Begleiterkrankungen aufgeführt, die das kardiovaskuläre Risiko von Menschen mit Bluthochdruck erhöhen. Die davon betroffenen Patientinnen und Patienten sollten besonders auf ihre Blutdruckeinstellung achten. Ebenso sollte bei Menschen mit diesen Begleiterkrankungen, darunter Schlafstörungen, Migräne, Long-COVID, Depression, nicht alkoholischer Lebererkrankung, COPD oder chronischen entzündlichen Erkrankungen, regelmäßig ein Screening auf Bluthochdruck erfolgen.
Bekannt ist, dass Übergewicht und Diabetes mellitus häufig mit Bluthochdruck einhergehen. Kommt alles drei zusammen, spricht man vom sogenannten „metabolischen Syndrom“, das mit einem sehr hohen Risiko für gefährliche Herz- und Gefäßerkrankungen einhergeht. Das ist der Grund, warum bei Menschen mit Übergewicht oder mit Diabetes mellitus gezielt auf den Blutdruck geschaut wird. Diese Patientinnen und Patienten werden auch zur regelmäßigen Selbstmessung ermuntert.
Verschiedene Studien der letzten Jahre haben gezeigt, dass es aber noch deutlich mehr Erkrankungen gibt, die häufig zusammen mit Bluthochdruck auftreten und die Prognose der Betroffenen verschlechtern. Die neue europäische Blutdruckleitlinie der ESH hat nun gleich zehn neue Begleiterkrankungen in den Katalog aufgenommen. Menschen, die diese aufweisen und gleichzeitig zu hohe Blutdruckwerte haben, sind stark gefährdet, sog. kardiovaskuläre Erkrankungen wie einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden. „Es ist daher extrem wichtig, dass wir Ärztinnen und Ärzte auch bei Menschen mit diesen Krankheiten auf den Blutdruck achten und bei Bedarf eine blutdrucksenkende Therapie einleiten.“ Dieses Fazit zieht Prof. Markus van der Giet, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga.
Um welche Erkrankungen handelt es sich dabei? Neu wurde die nicht alkoholbedingte Lebererkrankung, auch „Fettleber“ genannt, in die Liste der Komorbiditäten aufgenommen. Dieser Zusammenhang ist nicht überraschend: Wer sich schlecht bzw. viel zu reichhaltig ernährt, so dass die Leber verfettet, hat mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auch Übergewicht und nicht selten in Folge einen Typ-2-Diabetes und/oder Bluthochdruck und damit ein deutlich erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. Auch ein nicht-medikamentös einstellbarer Bluthochdruck ist auf der Liste zu finden, denn er führt zu Folgeschäden an Herz, Gefäßen und Nieren. Bluthochdruck erhöht aber auch das kardiovaskuläre Risiko bei Menschen mit chronischer obstruktiver Lungenerkrankung (COPD), Gicht oder chronischen entzündlichen Erkrankungen wie beispielsweise rheumatoide Arthritis oder Morbus Crohn.
Ebenfalls neu – und auch etwas überraschend – ist, dass die kardiovaskuläre Risikoerhöhung auch bei dem Aufeinandertreffen von Bluthochdruck mit Schlafstörungen, Depression, Migräne, erektiler Dysfunktion oder chronischen Infektionen – als Beispiel wird in den Leitlinien Long-COVID genannt – besteht. „Auch wenn man hier auf den ersten Blick keinen pathophysiologischen Zusammenhang sieht, ist die Datenlage so eindeutig, dass nun auch diese Erkrankungen als gefährliche Begleiterkrankungen von Bluthochdruck in der Leitlinie gelistet werden“, betont Prof. van der Giet.
Doch was heißt das für die Betroffenen? „Bei Menschen mit Bluthochdruck, die an einer dieser Erkrankungen leiden, muss die Blutdruckeinstellung sehr konsequent erfolgen. Die Betroffenen sollten über ihr erhöhtes kardiovaskuläres Risiko informiert werden, damit sie die blutdrucksenkende Therapie ernst nehmen und auch durch Lebensstilumstellungen aktiv dazu beitragen, eine weitere Risikoreduktion zu erreichen“, so der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Hochdruckliga.
Der Experte hebt aber noch eine weitere Konsequenz hervor, die sich aus dem Wissen über die neuen Komorbiditäten ergibt. „Menschen, die an diesen Erkrankungen leiden, also z. B. an Long-COVID, Depression, Schlafstörungen oder Migräne, sollten verstärkt auf ihre Blutdruckwerte achten. Denn viele ahnen nichts von diesem Zusammenhang und merken nicht, dass sie zusätzlich auch an Bluthochdruck leiden. Die rechtzeitige Diagnose ist umso wichtiger, da Bluthochdruck gut behandelbar ist. Wird er frühzeitig erkannt und behandelt, kann das kardiovaskuläre Risiko der Menschen mit diesen Erkrankungen dadurch auf den Normalwert gesenkt werden.“ Granz praktisch rät Prof. van der Giet allen Menschen, die unter Schlafstörungen, Migräne, Long-COVID oder Depression, nicht alkoholischer Lebererkrankung, COPD, Gicht, erektiler Dysfunktion oder chronischen, entzündlichen Erkrankungen zu einer regelmäßigen Überprüfung der Blutdruckwerte. „Die neuen Leitlinien geben die klare Empfehlung, dass bei allen Menschen ab dem 40. Lebensjahr sowie bei allen Risikopatientinnen und -patienten, egal welchen Alters, regelmäßig ein Screening auf Bluthochdruck erfolgen sollte. Es ist wichtig, dass auch die Menschen, die unter den in der Leitlinie neu aufgeführten, risikoassoziierten Krankheiten leiden, wissen, dass sie zu den Risikogruppen zählen.“
Die zehn neuen Komorbiditäten im Überblick
1. Resistente Hypertonie
2. Nicht alkoholbedingte Lebererkrankung
3. COPD
4. Chronisch entzündliche Erkrankungen
5. Gicht
6. Schlafstörungen
7. Depression
8. Migräne
9. Erektile Dysfunktion
10. Chronische Infektionen (z. B. Long-COVID)
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