Eine Beruhigungspille, die nicht wirkt
Als „Beruhigungspille“ haben die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der Marburger Bund (MB) das Ergebnis des Vermittlungsausschusses in Sachen Transparenzgesetz bezeichnet. Für den Katholischen Krankenhausverband Deutschland (KKVD) hat hier Macht- über Sachpolitik gesiegt.
„Angesichts der unübersehbaren wirtschaftlichen Notlage der Krankenhäuser hat die Mehrheit im Vermittlungsausschuss aus Bundesregierung und SPD-Ländern die Chance verpasst, der Insolvenzwelle in der Krankenhauslandschaft wirksam entgegenzutreten“, erklärte Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG. „Die bloße Ankündigung des Bundesgesundheitsministers, dass die Landesbasisfallwerte für das laufende Jahr erhöht werden sollen, um die Erlöse der Kliniken an die inflationsbedingt gestiegenen Kosten anzupassen, ist eine wertlose Beruhigungspille für die Krankenhäuser.“
Die vage Ankündigung eines Tropfens auf den heißen Stein
Die SPD-Länder haben nach Gaß‘ Ansicht „die Brisanz der Lage ihrer eigenen Krankenhauslandschaft noch immer nicht begriffen“ und tragen „nun in ganz besonderer Weise Verantwortung für das Kliniksterben in Deutschland“. Nach wie vor müssten die Kliniken jeden Monat 500 Millionen Euro zuschießen, um die Patientenversorgung in Deutschland aufrechtzuerhalten, betonte Gaß. Die “vage Ankündigung” von Lauterbach, die Landesbasisfallwerte zu erhöhen, um die Tariflohnsteigerungen besser abzubilden, sei bei genauer Betrachtung praktisch wertlos. „Eine solche Anpassung würde lediglich weniger als 0,2 Prozent oder auf das Gesamtjahr gerechnet 125 Millionen Euro bedeuten. Der aktuelle monatliche Fehlbetrag würde damit von heute 500 Millionen auf 490 Millionen Euro reduziert. Damit kann kein einziges Insolvenzverfahren gestoppt werden“, rechnet Gaß vor.
Den Transformationsfonds findet Gaß im Prinzip richtig. „Auch hier müssen nun aber schnell Fakten geschaffen werden, denn die Krankenhausträger stehen in den Startlöchern, um ihre Zukunftsprojekte zügig zu beginnen. Dass der Bund seinen Finanzierungsanteil aus dem Gesundheitsfonds entnehmen möchte, hat die Krankenkassen zurecht irritiert. Sollen nun die Beitragszahler der Gesetzlichen Krankenkassen die Belastungen tragen, die eigentlich über Steuern, also auch von Privatversicherten und Beamten zu schultern sind?“
Von ihrer Kritik am Transparenzgesetz rückt die DKG nicht ab. „Diese richtet sich ausdrücklich nicht gegen den Aufbau eines zusätzlichen Transparenzportals”, betont Gaß und verweist auf das Deutsche Krankenhausverzeichnis der DKG. „Dazu braucht es aber nicht den jetzt beschlossenen massiven Zuwachs an Bürokratie durch die sinnlose Ausweitung von detaillierten Datenlieferungen. Wir brauchen unsere Beschäftigten am Patientenbett und nicht an den Computern im Stationszimmer.“
“Bürokratische Mehrarbeit ohne relevanten Zusatznutzen”
Genauso sieht es Dr. Susanne Johna, 1. Vorsitzende des MB: „Der von den Regierungsfraktionen eingebrachte Gesetzentwurf produziert bürokratische Mehrarbeit ohne relevanten Zusatznutzen. Notwendig wäre stattdessen ein massiver Abbau von Bürokratie in der Patientenversorgung, damit Ärztinnen und Ärzte und andere Beschäftigte wieder mehr Zeit für Patienten haben. Wir fordern seit Jahren, Dokumentations- und Nachweisverpflichtungen auf das notwendige Mindestmaß zu reduzieren. Es geschieht aber immer wieder das Gegenteil: Der administrative Aufwand steigt von Jahr zu Jahr. Die daraus resultierende Demotivation könnte sogar zur Abwanderung von dringend benötigten Fachkräften führen.“
Johna schildert die Probleme aus der Sicht der im Krankenhaus tätigen Menschen: „Wir wollen Patientinnen und Patienten versorgen und nicht stundenlang nach freien Behandlungskapazitäten suchen müssen. Wer heute hinnimmt, dass versorgungsnotwendige Krankenhäuser in die Insolvenz und frustrierte Mitarbeiter vorzeitig in den Ruhestand gehen, wird das eingesparte Geld am Ende mehrfach ausgeben müssen.“ Um nicht selbst in Turbulenzen zu geraten, würden viele Kliniken notwendige Investitionen meiden, so Johna. Neues Personal werde nur dann noch eingestellt, wenn es gar nicht anders geht. „Von einer patientenorientierten, zukunftsgerichteten Personalplanung sind viele Häuser meilenweit entfernt. In dieser Lage braucht es einen klaren Kurs in der Krankenhauspolitik und kein Gegeneinander entlang parteipolitischer Interessen.“
Die MB-Vorsitzende spricht sich dafür aus, für das Großprojekt Krankenhausreform auch staatliche Mittel einzusetzen, denn Krankenhäuser seien Teil der staatlichen Daseinsvorsorge. „Unser Gesundheitswesen leistet einen elementaren Beitrag zum sozialen Frieden in diesem Land. Das darf die Politik bei allem Streit um den richtigen Weg nicht aus dem Blick verlieren“ betont sie. „Beruhigungspillen ersetzen keine stringente Politik.“
“Machtpolitik hat über Sachpolitik gesiegt”
Parteipolitische Interessen haben auch für Bernadette Rümmelin, Geschäftsführerin des KKVD, den Ausschlag gegeben. „Im Vermittlungsausschuss hat Machtpolitik über Sachpolitik gesiegt. Bundesgesundheitsminister Lauterbach und die SPD-geführten Bundesländer haben mit der Brechstange ein Gesetz durchgesetzt, das keine echten Verbesserungen bringen wird.“
Rümmelin hebt auf die „die Tücken im Detail“ ab, welche die die erwünschte Transparenz ihrer Ansicht nach verhindern: „An der Größe eines Krankenhauses lässt sich nicht einfach ablesen, wie qualitativ hochwertig die jeweilige Behandlung ist. Doch genau dieser Eindruck soll den Patientinnen und Patienten mit den geplanten Leveln vermittelt werden. Zudem werden beim Qualitätsvergleich spezifische Risiken und Vorerkrankungen der Patientinnen und Patienten, die einen Behandlungserfolg gefährden, nicht berücksichtigt. Für die Klinikteams bringt das Gesetz zudem durch zusätzlichen Dokumentationsaufwand mehr statt weniger Bürokratie.“
Auch Rümmelin kritisiert Lauterbachs „vage Versprechen“ von kurzfristigen Liquiditätshilfen und einem Transformationsfonds. „Taten in Form von konkreten Gesetzestexten gibt es dazu keine. Minister Lauterbach und die SPD-geführten Länder sind nun in der Pflicht, aus den Versprechen schnellstmöglich klare Regelungen zu machen.“
(ms)
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