Adipositas (Fettleibigkeit): Formen und Ursachen
Ursachen und Risikofaktoren
Es gibt zahlreiche, individuelle Faktoren, die den Stoffwechsel und damit die individuelle Energiebilanz und das Gewicht erheblich beeinflussen. Dazu gehören die genetische Ausstattung, die Ernährung der Mutter in der Schwangerschaft oder auch die Hormone. Daher muss jemand, der übergewichtig ist, nicht zwangsläufig mehr essen oder sich weniger bewegen als eine schlanke Person.
Die Adipositas-Ursachen gehen weit über zu viel Essen und zu wenig Bewegung hinaus. Eine ganze Reihe von Faktoren scheinen sich gegenseitig zu beeinflussen und zu verstärken. Die genauen Mechanismen sind bislang noch nicht vollständig geklärt. Es zeichnet sich jedoch ab, dass das Krankheitsgeschehen dazu neigt, sich zu verselbstständigen: Je ausgeprägter das Übergewicht ist, desto hartnäckiger verteidigt der Körper die überflüssigen Pfunde.
Essverhalten (alimentäre Adipositas)
Wer zu viel und zudem noch sehr kalorienreich isst, nimmt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu. Doch welche Menge zu viel ist, hängt von vielen Faktoren ab und ist individuell verschieden.
Einige Forscher vertreten zudem die Auffassung, dass nicht die Gesamtkalorienmenge entscheidend für die Entstehung von Adipositas sei, sondern die Zusammensetzung der Kost. Beispielsweise, dass Öle mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren weniger stark ansetzen als gesättigtes Fett. Oder dass Süßigkeiten dicker machen als Gemüse mit derselben Kalorienmenge.
Wieder andere Hypothesen besagen, dass längere Esspausen, in denen der Körper Zeit hat, Essdepots wieder abzubauen, helfen schlank zu werden oder zu bleiben. Wer oft zwischendurch etwas isst, nimmt wahrscheinlich bei gleicher Kalorienzufuhr eher zu. Experten empfehlen daher mindestens vier kalorienfreie Stunden zwischen den Mahlzeiten.
Bewegungsmangel
Wenn die tägliche Kalorienbilanz „positiv“ ist, also mehr Kalorien aufgenommen als verbraucht werden, nimmt man zu. Wer sich gern bewegt, ist also in der Lage, mehr zu essen, ohne dick zu werden. Zum einen wird natürlich während der Bewegung selbst mehr Energie verbraucht. Es stellt sich aber zusätzlich der sogenannte Nachbrenneffekt ein: Auch nach Beendigung der Aktivität verbraucht der Körper eine Weile mehr Energie als sonst.
Nicht nur das aktuelle Bewegungspensum ist ausschlaggebend: Wer sich wenig bewegt, hat weniger Muskelmasse. Muskeln verbrauchen auch in Ruhe mehr Energie als beispielsweise Fettgewebe. Sinkt die Muskelmasse, sinkt auch der sogenannte Grundumsatz, also der Energiebedarf des Körpers in Ruhe.
Problematisch ist, dass soziale Netzwerke vor allem Jugendliche dazu verlocken, den Tag lieber sitzend mit virtuellen Freunden zu verbringen, als sich tatsächlich körperlich anzustrengen oder sportlich aktiv zu sein.
Auch immer mehr Erwachsene pflegen einen Lebensstil, der für Übergewicht anfällig macht: Viele Arbeitnehmer verbringen einen Großteil ihrer Zeit am PC. Radfahren und Laufen sind durch Autofahren oder öffentliche Transportmittel ersetzt worden, Treppensteigen entfällt vielerorts durch Rolltreppen und Aufzüge.
Stoffwechsel
Der Grundumsatz ist von weiteren Faktoren abhängig. So gibt es tatsächlich Menschen, die normal essen und trotzdem dick werden. „Gute Futterverwerter“ werden sie genannt. Das klingt erst mal gut, ist in Zeiten eines übergroßen Nahrungsangebots aber problematisch. Das ist zum Teil Veranlagung, ist aber mitunter durch Diäten verursacht oder verstärkt. Dann verlangsamt sich der Stoffwechsel.
Umgekehrt gibt es auch sehr schlanke Menschen, die ordentlich zulangen beim Essen – und zwar ohne sich im Ausgleich besonders viel zu bewegen.
Fettleibige Menschen verlieren zudem durch die isolierende Fettschicht unter der Haut weniger Wärmeenergie. Daher müssen sie vergleichsweise weniger Energie in Wärme umsetzen, verbrennen also weniger Kalorien.
Umgebung prägt Essverhalten
Essgewohnheiten werden im Kindes- und Jugendalter maßgeblich geprägt. Eine steigende Anzahl von Kindern erlernt weder zu Hause noch in der Schule den richtigen Umgang mit Nahrung. Beispielsweise stört der unkontrollierte Zugang zu Süßigkeiten den natürlichen Rhythmus von Hungergefühl und Nahrungsaufnahme: Kinder und Jugendliche essen dadurch stets und ständig.
Oft fehlt in der Familie die Zeit für gemeinsames Kochen und gemeinsame Mahlzeiten. Die Lücke füllen häufig Fast-Food-Angebote. Damit konsumieren manche praktisch rund um die Uhr hochkalorische Fertignahrungsmittel. Zuckerhaltige, fettige Nahrungsmittel sind zudem meist deutlich preisgünstiger als hochwertige Lebensmittel.
Genetische Ursachen
Die Gene spielen bei der Entstehung von Adipositas eine große Rolle: Die Ergebnisse von Zwillingsstudien legen nahe, dass Adipositas in etwa 40 bis 70 Prozent der Fälle auf genetische Ursachen zurückzuführen ist.
Allerdings ist derzeit noch unklar, wie viele Gene tatsächlich an der Entstehung von Adipositas beteiligt sind und auf welche Weise. Etwa 100 Gene sind bislang bekannt, bei denen ein Zusammenhang mit Übergewicht und Adipositas vermutet wird.
Insbesondere das „FTO-Gen“ steht im Mittelpunkt der Adipositas-Forschung. Das Gen scheint an der Steuerung des Appetits beteiligt zu sein. Menschen mit einer Mutation in diesem Gen werden möglicherweise erst verzögert satt und nehmen daher leichter zu.
Genetisch bedingt ist vermutlich auch ein „individuelles Sollgewicht“. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind bislang vollkommen unklar. Jedoch sprechen Studien mit Adoptivkindern für ein solch genetisch programmiertes Sollgewicht: In diesen Studien glich das Gewicht der Adoptivkinder im Erwachsenenalter seltener dem der Adoptiveltern, sondern häufig dem Gewicht der biologischen Eltern und Geschwister.
Epigenetische Programmierung
Nicht nur die Gene selbst haben großen Einfluss auf das Gewicht, sondern auch, wie aktiv sie im Körper sind. Ein großer Teil der Gene ist sogar gänzlich stummgeschaltet und kommt gar nicht zum Einsatz.
Welche das sind, wird unter anderem schon im Mutterleib beeinflusst. Ist die Mutter übergewichtig oder entwickelt sie eine Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes), kommen die Kinder oft groß und zu schwer zur Welt. Ihr Risiko für Fettleibigkeit ist dann hoch, denn der Körper ist an ein Überangebot an Nahrung gewöhnt. Das Kind tendiert lebenslang dazu, sich zu überessen. Zudem toleriert sein Körper höhere Blutzuckerspiegel.
Vor der Geburt und in der Kindheit ist die sogenannte epigenetische Prägung besonders stark. Doch auch im weiteren Leben sind die Lebensumstände entscheidend. Sport, Stress, Hunger oder ständige Überernährung – all diese Faktoren verändern häufig die Funktionsweise der Körperzellen. Die gute Nachricht ist: Durch einen gesünderen Lebensstil gelingt es auch noch im Erwachsenenalter, viele negative Gene aus- und positive anzuschalten.
Erkrankungen als Adipositas-Ursache
Auch bestimmte Erkrankungen und Medikamente begünstigen eine Gewichtszunahme und damit Adipositas. Dann sprechen Experten von einer sekundären Adipositas.
- Polyzystisches Ovar-Syndrom (PCOS): Rund vier bis zwölf Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter haben diese Zystenerkrankung der Eierstöcke (Ovarien). Charakteristisch für PCOS sind Zyklusstörungen und Übergewicht.
- Morbus Cushing (Hypercortisolismus): Bei dieser Erkrankung schütten die Nebennieren unnatürlich viel Kortison ins Blut aus. Das Hormon Kortison bewirkt bei dauerhaft erhöhtem Blutspiegel eine starke Gewichtszunahme, vor allem am Körperstamm („Stammfettsucht“).
- Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose): Bei der Schilddrüsenunterfunktion werden die Schilddrüsenhormone T3 und T4 nicht in ausreichender Menge gebildet. Sie regulieren unter anderem den Energieumsatz, der bei Mangel an T3 und T4 niedriger ist als normal.
- Testosteronmangel bei Männern (hypogonadotroper Hypogonadismus): Aufgrund einer unzureichenden Hormonproduktion in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) oder dem Zwischenhirn (Hypothalamus) produzieren Männer bei dieser Erkrankung weniger Testosteron. Auch das begünstigt Fetteinlagerungen.
- Genetische Syndrome: Menschen mit Prader-Willi-Syndrom (PWS) oder dem Laurence-Moon-Biedl-Bardet-Syndrom (LMBBS) sind häufig extrem fettleibig.
- Psychische Erkrankungen: Auch Menschen mit Depression oder Angststörungen leiden häufig zusätzlich unter Adipositas. Essen dient als kurzzeitige Entlastung für die Psyche. Die psychische Belastung wiederum steigt möglicherweise durch das zunehmende Körpergewicht, wodurch Betroffene noch mehr essen, um sich wieder besser zu fühlen.
- Binge-Eating-Störung: Auch eine Binge-Eating-Störung, bei der die Betroffenen immer wieder Fressanfälle bekommen, verursachen mitunter eine starke Gewichtszunahme.
Medikamente
Einige Medikamente haben die unerwünschte Nebenwirkung, den Appetit anzuregen oder vermehrt Wasser einzulagern. Zu diesen Medikamenten gehören:
- Antihistaminika (Medikamente gegen Allergien)
- Psychopharmaka wie Antidepressiva und antipsychotische Medikamente
- Kortison bei langfristiger und/oder hoch dosierter Anwendung
- Antidiabetika, insbesondere Wirkstoffe wie Glibenclamid, Glimepirid, Nateglinid und Repaglinid
- Blutdruckmedikamente, vor allem Betablocker
- Antiepileptika, zum Beispiel Valproinsäure und Carbamazepin
- Migränemedikamente wie Pizotifen, Flunarizin oder Cinnarizin
Risikofaktor Bauchumfang
Als Faustregel gilt bei Frauen ein Bauchumfang von über 80 cm als riskant, bei Männern von über 94 cm. Damit steigt unter anderem das Risiko für Schlaganfall und Typ-2-Diabetes. Bei einem Bauchumfang von über 88 cm bei Frauen und 102 cm bei Männern ist das Risiko sogar deutlich erhöht.
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